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Neuveröffentlichung

Geheimnisse sterben nicht.jpg

Vertraue niemandem, denn auch der Schatten einer weißen Rose ist schwarz.

Klappentext:

 

Jana und Felix´ Ehe ist am Ende. Nach dem Unfalltod ihres gemeinsamen Sohnes verhält Felix sich distanziert und kühl und lässt Jana mit ihrer Trauer allein. Nur ihre beste Freundin Marlene und Janas Schwager Fabian, der Gefühle für sie hegt, stehen ihr zur Seite und helfen ihr, nach dem Verlust wieder auf die Beine zu kommen.

Während eines gemeinsamen Wochenendes mit Marlene erhält Jana eine schreckliche Nachricht: Felix ist tot. Was zunächst wie ein Suizid scheint, entpuppt sich schon bald als eiskalter Mord. Hauptkommissar Hahn ist sich sicher: Wer auch immer Felix ermordet hat, ist nun auch hinter Jana her. Immer mehr Geheimnisse kommen ans Licht, die Janas Welt erschüttern. Sie hatte geglaubt, ihren Mann zu kennen, nun scheint er in illegale Geschäfte verwickelt gewesen zu sein. War der Unfall, der ihrem Sohn das Leben gekostet hat, womöglich gar kein Unfall? Und was verbirgt Marlene vor Jana? Jana bleibt nur eines: fliehen.

Allein in einer fremden Stadt entwickelt sie schon bald Gefühle für ihren mysteriösen und verschlossenen Nachbarn. Kann sie Niklas vertrauen und den Mördern ihres Mannes entkommen?

 Leseprobe

Prolog
Felix

»Ihre Frau hat die Operation gut überstanden.«
Der Arzt stand vor ihm. Erleichterung durchflutete Felix, doch gleich darauf durchfuhr es ihn kalt. »Was ist mit …?« Er befeuchtete seine Lippen, die sich rissig anfühlten wie eine Kraterlandschaft, »… dem Baby? Wie geht es ihm?«
»Es tut mir leid.« 
Sämtliche Konturen vor ihm schienen sich in schwarzem Nebel aufzulösen. Die weiteren Worte des Arztes hörte er nicht, stattdessen sank er auf dem Stuhl zusammen. Jemand berührte seinen Oberarm. Eine junge Schwester hielt ihm ein Glas Wasser hin.
»Herr Winter?« 
Felix schüttelte den Kopf. Tränen verschleierten seinen Blick. Er versuchte, sich zu konzentrieren, trotzdem kamen nur Bruchstücke der Worte des Arztes bei ihm an.
»Der Aufprall war sehr hart … zu viel Zeit vergangen, bis Ihre Frau gefunden wurde … alles getan … Ihre Frau wird wieder gesund … schläft jetzt … Intensivstation …«
»Kann ich sie sehen?« Felix stand auf. »Und meinen … Sohn?« 
»Natürlich. Die Schwester wird Sie hinbringen.«

* * *

Jana so liegen zu sehen, Schläuche, wohin er sah, verursachte ihm Übelkeit. Eine halbe Stunde saß er bei ihr und hielt ihre Hand. Sie würde wieder gesund werden.
Schlimmer war der Anblick seines Kindes, eingeschlagen in ein grünes Operationstuch, das Gesichtchen notdürftig abgewischt.
Ein winziger Mensch, der niemals geatmet hatte. Felix stand da und merkte erst, dass er selbst die Luft angehalten hatte, als sein Körper japsend nach Sauerstoff verlangte.

* * *

Eine halbe Stunde saß er in seinem BMW. Es dämmerte langsam. Regungslos sah er aus dem Fenster mit Blick auf die Augsburger Klinik, ohne den Wagen zu starten. Seine Augen brannten, doch es kamen keine Tränen. In ihm brodelte es, drohte überzukochen.
Es war seine Schuld. Er hatte gewusst, dass sie ihm das nicht durchgehen lassen würden. Sämtliche Drohungen hatte er ignoriert. Nun hatte er die Rechnung erhalten.
Aber nicht mit ihm. Er würde sich rächen, der Tod seines Sohnes sollte nicht ungesühnt bleiben. Big Boss würde ihn kennenlernen, sobald er seine Identität gelüftet hätte.
Felix scrollte in seinem Handy und tippte auf ›Fabian‹. Sein Bruder meldete sich mit verschlafener Stimme. »Ich hoffe, es ist wichtig.«
»Jana hatte einen Unfall.«
»Scheiße. Wie geht es ihr?«
»Sie wurde operiert, den Umständen entsprechend. Aber das Baby hat nicht überlebt.«
Er hörte Fabian heftig atmen. »Mensch, Felix, du hättest …«
»Nein!« Er fühlte förmlich, wie seine Stimme durch die Luft schnitt. Ohne Verabschiedung beendete er das Gespräch und scrollte sich durch seine Kontakte.
Bei einem Namen blieb er hängen. Marlene.



Kapitel 1
Jana
Ein Jahr später


»Warum willst du dich nicht scheiden lassen?« Marlene war immer schon direkt gewesen, hatte nicht lange um den heißen Brei geredet. Sie warf ihr blondes Haar zurück und nippte an ihrem Kaffee.
Scheidung? Das Wort erwischte Jana eiskalt.
»Wir haben noch kein einziges Mal über eine Trennung gesprochen«, erwiderte sie zaghaft auf die Frage.
Ein erholsames Frauenwochenende näherte sich dem Ende. Nun saßen sie am Frühstückstisch, Jana hatte sich ein Müsli mit frischen Früchten geholt, Marlene Schinken mit Ei.
»Solltest du aber. Seit dem Tod des Babys hat Felix dich im Stich gelassen. Ich
sehe ja, wie du leidest. Nicht einmal unser Wochenende hat er dir gegönnt.«
»Er war sauer. Ausgerechnet diesmal hatte er offenbar gemeinsame«, sie malte Gänsefüßchen in die Luft, »Pläne mit mir. Seit meinem Unfall haben wir nie mehr etwas zusammen unternommen, ich war lediglich ein Möbelstück für ihn. Fast hätte ich nachgegeben, er hatte diesen Blick drauf, den liebevollen, wie damals.« Jana schluckte. »Aber schließlich ist er in seinem Arbeitszimmer verschwunden, wie immer, und hat mich stehen lassen. Ich Idiotin hab dann sogar Tante Helma angerufen und sie um Rat gefragt. Du weißt, wie nahe sie mir steht. Vor allem seit meine Mutter auf Mallorca lebt.«
»Sie ist wirklich ein Schatz.«
»Ja, sie war das ganze Jahr hindurch immer für mich da. Dabei ist sie nicht mal meine Tante, sondern die von Felix. Weißt du, was sie gesagt hat?« Sie verstellte ihre Stimme eine Oktave höher. »Kindchen, du musst mal raus aus dem Sumpf! Hach, am liebsten würde ich meinen Neffen an den Ohren packen, weil er so stur ist. Ihr seid bei der Hochzeit ein so wundervolles Paar gewesen.« Jana brach ab, fast hätte sie geweint. Helma war so weichherzig.
Marlene nahm einen Schluck Kaffee. 
Jana rührte in ihrem Müsli. »Ich weiß, dass ich so nicht weiterleben kann«, sagte sie leise.
»Jana, du bist unglücklich. Das sieht jeder, nur dein Mann verschließt die Augen.« Marlene griff nach ihrer Hand. »So kann es nicht weitergehen. Du solltest vielleicht wieder arbeiten, ich weiß, wie sehr dir das Krankenhaus fehlt. Während unserer Ausbildung warst du diejenige, die förmlich für den Job gebrannt hat. Ich werde nie begreifen, weshalb Felix nicht wollte, dass du deinen Beruf ausübst.«
»Es wäre nicht nötig, hat er immer gesagt. Schließlich verdiene er genug.« Jana schob sich einen Löffel Müsli in den Mund und zog gleichzeitig ihre andere Hand zurück.
Sie waren an diesem Tag ausnahmsweise fast die Letzten im gemütlichen Frühstücksraum mit den rot karierten Tischdecken. In den vergangenen drei Tagen hatte sich zum ersten Mal seit dem Unfall ein gewisses Gefühl der Unbeschwertheit eingestellt.
Marlene hatte recht, sie sollte wieder im Krankenhaus arbeiten. Es herrschte permanenter Mangel an Pflegekräften. Sie musste etwas tun. Alles war besser, als daheim allein herumzusitzen. Felix kompensierte seinen Schmerz mit einem gewaltigen Arbeitspensum. Zwar verbrachte er die Abende meistens zu Hause, verschanzte sich jedoch in seinem Arbeitszimmer.
Von einem weiteren Kind wollte er nichts wissen.
Wie auch, da er ihr gemeinsames Bett mied wie die Pest.
»Felix und ich waren so unglaublich verliebt ineinander.« Sie sah auf. »Das kann doch nicht innerhalb eines Jahres einfach verschwinden.«
»Ihr konntet Lukas’ Tod nie richtig aufarbeiten. Aber daran bist nicht du schuld, sondern Felix, weil er jedes Gespräch abblockt.« Marlene schob ihren leeren Teller zurück und stand auf. »Ich hole mir noch ein paar Früchte. Eine solche Auswahl gibt es zu Hause nicht.«
Jana löffelte ihr Müsli zu Ende. War es wirklich nur Felix’ Schuld? Er hatte sich seit dem Unglück verändert. Sie hatte eine Stunde eingeklemmt im Wagen gelegen, ehe die Feuerwehr sie hatte befreien können. Da hatte sie bereits viel Blut verloren und ihr Baby war gestorben. Seitdem war sie nicht mehr dieselbe gewesen. Selbst ihr Schwager Fabian hatte das bemerkt, der sich zunehmend rührend um sie bemüht hatte. Tatsächlich hatte er sich im letzten Jahr mehr um sie gesorgt als Felix.
Und wenn sie in der schweren Zeit ihrer Rekonvaleszenz Tante Helma nicht gehabt hätte … Fast täglich hatte Helma sie besucht und sie ermuntert durchzuhalten. Die Reha war anstrengend und langsam vonstattengegangen. Und natürlich war auch Marlene für sie da gewesen. Felix hingegen war selten aufgetaucht und stets nur kurz geblieben.
Sie hatte ihr Müsli aufgegessen und griff nach ihrer Kaffeetasse. Beim Gedanken daran, in die angespannte Atmosphäre ihres Heimes zurückkehren zu müssen, bekam sie Magenkrämpfe. Ihre Versuche, Felix wieder näherzukommen, waren allesamt gescheitert.
Marlene ließ sich ihr gegenüber nieder, ein Stück Gugelhupf vor sich. »Habs mir anders überlegt, Diät machen kann ich wieder daheim.« Genussvoll biss sie ab.
Seit Jahren haderte Marlene mit ihrem Gewicht, mal mehr, mal weniger. Ihre Freundin hatte eben ein paar Pölsterchen und nach Janas Meinung genau an den richtigen Stellen.
»Dass ihr beide euren Sohn verloren habt, ist unbeschreiblich traurig.«
»Das Schlimmste ist, dass Felix mir die Schuld daran gibt.«
»Ja, aber ich verstehe das bis heute nicht. So spät war es nicht, als du von mir weggefahren bist und getrunken hast du auch nur Saft, schließlich warst du schwanger. Du bist nicht zu schnell gefahren und du hast richtig reagiert, indem du den Wagen herumgerissen hast. Sonst wäre der Mann tot gewesen. Was hätte Felix gemacht, hätte er am Steuer gesessen? Den Kerl einfach niedergemäht?«
»Der Fahrer des anderen Wagens ist weitergefahren und vom Betrunkenen war keine Spur mehr da. Die Polizei hat meine Story angezweifelt, sie denkt, ich wäre zu müde gewesen und deswegen von der Straße abgekommen. Daher glaubt auch Felix bis heute, dass ich mir alles nur eingebildet hätte und aus eigenem Verschulden über die Böschung geflogen bin.« Sie beugte sich vor. »Doch ich habe die Bilder immer noch deutlich vor mir. Das Auto mit den aufgeblendeten Scheinwerfern, nur deshalb habe ich den torkelnden Mann viel zu spät gesehen. Ich habe das Lenkrad herumgerissen und konnte dem Abhang nicht mehr ausweichen.« Sie sah auf einen unbestimmten Punkt hinter Marlene, ehe sie diese schicksalhaften, alles verändernden Momente ihres Lebens ein weiteres Mal durchlebte.
Ihr Auto raste den Hang hinunter, der Baum kam abrupt näher, bis sie dagegen prallte. Sie kippte seitlich, dann war es still. Eigenartigerweise spürte sie keine Schmerzen, nur den Druck ringsum und die Panik, dass sie sich nicht mehr bewegen konnte. Sie wollte schreien, brüllen, doch kein Ton verließ ihre Lippen. Nach einer Ewigkeit sah sie Lichter – blaue, orange – und Menschen in gelben Jacken mit Leuchtstreifen. »Wir holen Sie heraus, keine Angst.« Und »Jetzt wird es ein wenig lauter.« Dann das Kreischen einer Säge. 
»Wir brauchen Plasma, sobald wir sie draußen haben, wird’s kritisch.« Ein bebrillter Mann mit Mundschutz beugte sich über sie. »Versuchen Sie, ruhig zu atmen. Haben Sie Schmerzen?«
Sie wusste es nicht. 
Dann ließ der unheimliche Druck plötzlich nach und Übelkeit stieg in ihr hoch. »Mein Baby … schwanger …« Es war nur ein Hauch und sie war sich nicht sicher, ob jemand es vernommen hatte.
»Jana! Komm zurück!« Marlene wedelte mit der Hand vor Janas Gesicht und riss sie damit aus ihren Gedanken. »Es tut mir leid. Ich hätte das nicht anschneiden dürfen. Themenwechsel. Versprich mir, dass du mit Felix sprichst. Du solltest ihm zumindest sagen, dass du wieder arbeiten willst.«
Sie sah nun die Umgebung klarer. »Ja, das werde ich.« Es war anders geplant gewesen. Lukas – sie hatte seinen Namen auf den Grabstein schreiben lassen – wäre nun zehn Monate alt gewesen, wäre er zum errechneten Geburtstermin geboren worden.
Aber ihr kleiner Sohn war ungeboren gestorben und sie musste wieder leben. In ihrem Beruf tätig zu sein, den sie erlernt hatte und der ihr immer Spaß gemacht hatte, wäre schon mal ein Anfang.
»Und was setzt du dir für ein Ziel?«, fragte Jana nun, um von sich abzulenken. Sie hatten in den letzten Tagen hauptsächlich über sie gesprochen, deshalb hatte sie Marlene gegenüber fast ein schlechtes Gewissen. Ihre Freundin hatte immer ein offenes Ohr für ihr Gejammer. Dabei war sie selbst ständig unglücklich verliebt.
»Mich nicht mehr so oft zu ärgern.« Marlene setzte sich wieder an ihren Platz. »Männer! Immer gerate ich an die Falschen.«
Jana musste schlucken. Sämtliche Beziehungen von Marlene waren ein Griff ins Klo gewesen. Kein Wunder, dass sie frustriert war.
»Irgendwann wird jemand kommen, der dich zu schätzen weiß.« Sie drückte Marlenes Finger.
Marlene erwiderte den Druck und lächelte. »Danke, Jana, das ist lieb. Aber ganz ehrlich, bevor ich einen Mann wie Felix nehme, bleibe ich lieber allein. Tut mir leid, wenn ich das so krass sage.« Sie war bei der Hochzeit ihre Trauzeugin gewesen, doch so richtig entspannt war es zwischen ihr und Felix nie geworden. Und sein Verhalten nach dem Unfall und der Fehlgeburt hatte ebenfalls nicht dazu beigetragen, dass er bei Marlene Sympathiepunkte erhalten hätte.
Janas Handy klingelte. Auf dem Display leuchtete ›Tante Helma‹ auf.
»Hast du dich ein wenig erholen können?«, erklang es liebevoll.
»Danke, ja. Wir machen heute noch eine Wanderung zur Alpe hinauf, am Abend bin ich zu Hause.«
»Erst am Abend?« Jana konnte die Enttäuschung der alten Dame bis ins Innerste spüren. »Ich habe gestern Kirschstrudel gebacken und dachte, du kommst heute noch auf einen Kaffee vorbei.«
»Hätte ich das bloß gewusst!« Jana konnte ein Seufzen nicht unterdrücken. »Für deinen Kirschstrudel wäre ich sogar zu Fuß zu dir gelaufen. Aber ich habe Marlene versprochen, dass wir heute noch zur Alpe wandern, dort oben gibt es den besten Käse.«
»Dann werde ich euch ein Stückchen vorbeibringen, Felix mag meine Strudel auch.«
»Ja.« Der Gedanke an Felix ernüchterte sie. Als ob sich seine Laune durch ein Stück Kuchen bessern würde.
»Ich denke, Felix ist einsam. Er hat mich zum ersten Mal seit Monaten wieder angerufen.«
Jana musste schlucken. Tante Helma hatte die Entfremdung zwischen ihr und Felix mitbekommen, aber sie war ein derartiger Gutmensch, dass sie unerschütterlich an eine Versöhnung glaubte.
»Hat er von mir gesprochen?«
Das Zögern von Tante Helma war richtiggehend zu spüren. Also nein. Jana hatte es auch nicht erwartet.
»Ich konnte fühlen, dass du ihm fehlst, Schatz. Noch ein wenig Zeit und ihr seid wieder ein Herz und eine Seele. Weißt du was?« Ihre Stimme klang höher, wie immer, wenn sie aufgeregt war. »Du kommst doch früher heim und ich lade euch beide zu Kaffee und Kuchen ein, dann verschwinde ich und ihr sprecht euch einmal gründlich aus.« 
»Tante Helma, Marlene …«
»Marlene bringst du einfach mit, dann wird es noch entspannter. Und ich habe einen Grund, mich zurückzuziehen, ich werde Marlene meine neuen Setzlinge zeigen, spezielle Rosen aus …«
»Marlene und Felix können sich nicht ausstehen«, unterbrach Jana rasch. Fast wäre sie auf das Angebot eingegangen, einfach nur, weil sie Helma nichts abschlagen mochte. Doch es wäre Marlene gegenüber nicht fair gewesen. Ihre Freundin legte währenddessen die restliche Hälfte ihres Kuchenstückes zurück auf den Teller und schrieb mit dem Finger ein Fragezeichen in die Luft.
Jana formte mit den Lippen beinahe lautlos das Wort Helma, die Janas Absage erahnen konnte.
»Schade«, tönte es nun enttäuscht aus dem Handy. »Aber gib trotzdem nicht auf. Felix liebt dich und ihr findet wieder zueinander, ganz bestimmt.«
Nach fast einem Jahr emotionaler Durststrecke hatte Jana die Hoffnung begraben, doch sie wollte die gefühlvolle alte Frau nicht vor den Kopf stoßen. »Hoffentlich hast du recht«, sagte sie und bemühte sich um einen hoffnungsfrohen Tonfall. Hastig trank sie einen Schluck Kaffee. Sie mochte Felix noch immer.
»Ich habe mich gefragt, ob du wohl Lust hättest, mich am Mittwoch ins Theater zu begleiten? Sie spielen den ›Zerbrochenen Krug‹ von Kleist. Ein Stück, bei dem man lachen kann«, fuhr Helma bereits fort.
Lachen klang gut. Jana überflog in Gedanken kurz den Terminplan dieses Tages. »Ich denke schon, dass ich kann. Aber falls Felix andere Pläne hat …« Was redete sie da? Felix hatte seit Monaten nichts mehr mit ihr unternommen. Er kam nur aus seinem Arbeitszimmer, wenn er was essen wollte.
»Bestimmt hat er nichts dagegen. Und Kopf hoch, Liebes! Alles kommt wieder in Ordnung, du wirst schon sehen.«
»Danke. Bis bald.« Jana legte ihr Handy achtlos neben ihren Teller.
»Deine Tante denkt, dass ihr euch wieder versöhnt?«, fragte Marlene.
»Sie hofft es.«
»Sag mal, wieso ist er eigentlich bei ihr aufgewachsen?«
»Sie ist die Schwester von seinem Vater, der zusammen mit seiner Frau bereits mit dreißig einem Autounfall zum Opfer gefallen ist. Felix war zwei, sein Bruder Fabian ein Jahr, daher haben beide keine Erinnerung an ihre Eltern.« Sie seufzte. »Irgendwie gruselig, dass ihr Enkel ebenfalls bei einem Autounfall gestorben ist.«
»Ja.« Marlene nahm sich eines der Zuckerpäckchen aus der Schale, riss es auf und ließ den Zucker in ihren Kaffee rieseln. »Möchtest du dich mit Felix versöhnen?«
Sie ging nicht direkt auf die Frage ein. »Ich habe schon einmal angesprochen, ob wir zusammen eine Therapie machen, aber er will nicht.« Tatsächlich war seine Reaktion einem Tornado gleichgekommen.
»Klar, weil er nicht einsieht, dass es nötig wäre.« Marlene schob sich einen weiteren Biss des süßen Kuchens in den Mund, kaute und schluckte. »Aber zu einer Versöhnung gehören immer zwei. Er stürzt sich in seine Arbeit und vergisst dich komplett. Und Sex habt ihr auch keinen mehr.«
Jana sog scharf die Luft ein. »Schrei noch lauter, damit es alle hören.« Ihre Wangen wurden heiß. 
»Betrügt er dich?«
»Das glaube ich nicht.«
»Die Ehefrau kriegt es in der Regel zuletzt mit.«
Jana überlegte kurz, aber es gab in Felix’ Leben keine Anzeichen einer anderen Frau. »Felix möchte momentan kein Baby haben, er sagt, das wäre eine Entweihung von Lukas.«
»So ein Unsinn! Dann dürften doch alle Eltern nur ein Kind haben. Ihr vergesst Lukas nicht, wenn ihr ein zweites Baby bekämt.«
»Das habe ich auch versucht, ihm zu sagen.« Jana griff rasch nach ihrer Kaffeetasse und hoffte, ihr leichtes Zittern verbergen zu können. Felix hatte ihr nicht einmal zugehört. Das tat er schon lange nicht mehr.
Marlene schob den leeren Teller von sich. »Du musst auf andere Gedanken kommen. Zu Hause im einsamen Kinderzimmer zu sitzen, das macht dich fertig. Rede Klartext mit ihm.«
Marlene hatte es auf den Punkt gebracht. Jana hatte in den vergangenen Monaten viel zu viel Zeit in dem Raum verbracht, in dem das verwaiste Babybettchen stand. 
An diesem Wochenende hatte sie sich zum ersten Mal wieder an verschiedenen Dingen freuen können.
»Du hast recht, ich rede mit Felix.« Er konnte nicht wollen, dass sie beide in dieser kalt gewordenen Ehe weiterlebten. Vielleicht aber musste sie sich doch mit dem Gedanken an eine Trennung abfinden, so sehr es ihr auch widerstrebte.
»Das ist gut. Du kannst jederzeit zu mir ziehen, wenn du dich trennst.«
Daran mochte Jana noch nicht denken. Aber gab es eine Chance, dass alles so werden könnte wie früher? Wohl kaum.
Plötzlich war ihr der Appetit vergangen. Ihr Magen drückte, wenn sie an die Auseinandersetzung mit ihrem Mann dachte. »Nach dem Essen verfrachten wir unser Gepäck ins Auto und dann nichts wie los«, sagte sie betont munter. Das Zimmer mussten sie räumen, aber ihr Auto durfte während ihrer Wanderung zur Alpe auf dem Parkplatz stehen bleiben. Dies hatten sie bereits abgeklärt.
Marlene starrte an Jana vorbei zur Tür. »Was wollen denn die hier?«
Wegen des überraschten Tonfalls drehte Jana sich um und sah zwei Polizeibeamte, die in der offenen Tür zum Frühstücksraum standen und sich suchend umsahen.
»Ob sie auf Verbrecherjagd sind?« Jana trank den letzten Schluck aus der Tasse und überlegte, ob sie sich einen Apfel als Proviant mitnehmen sollte. Vielleicht hätte sie später mehr Appetit. 
»Bestimmt geht es um einen Heiratsschwindler.« Marlene kicherte wie ein kleines Mädchen. »Schließlich sind die Frauen hier in der Überzahl. Ich fand den Grauhaarigen mit dem Schnauzbart gleich verdächtig. Erinnerst du dich? Der wollte uns vorgestern an der Bar einen Bellini spendieren.«
Die Uniformierten sprachen nun mit einer Servicekraft, die zu Janas Erstaunen dann ganz offensichtlich zu ihrem Tisch deutete.
Es konnte niemand anders gemeint sein, denn hinter ihnen war die Wand, und die Plätze im Umkreis waren unbesetzt.
Jana fing den Blick des jüngeren Polizeibeamten auf, da bewegten sie sich auch schon und kamen mit langen Schritten auf sie zu.
»Frau Winter? Jana Winter?«, fragte der Ältere mit ernstem Gesichtsausdruck.
»Ja.« In ihrem Hals bildete sich ein Kloß so dick wie ein Golfball.
Der Beamte sah sich im Raum um. Es waren zwar nur noch wenige Menschen da, schließlich war es schon fast elf Uhr, dennoch sahen die Anwesenden zu ihnen herüber.
»Wer sind Sie?«, fragte der Beamte nun Marlene.
»Das ist Marlene Wagner, meine Freundin.« Jana verengte ihre Augen zu Schlitzen. »Worum geht es denn?«
»Kommen Sie bitte mit, damit wir uns ungestört unterhalten können.«
Der todernste Tonfall des Beamten sorgte dafür, dass Jana mit weichen Knien aufstand. Ihr Herz hämmerte, als wollte es die Knöpfe ihrer Bluse sprengen.
»Ich komme mit.« Marlene klang energisch.
»Wenn Frau Winter nichts dagegen hat?«
»Nein, natürlich nicht.« Jana fühlte sich gleich ein wenig wohler, nun da Marlene bei ihr blieb.
Die Beamten führten sie in den kleinen Raum hinter der Rezeption und schlossen die Tür. Was war passiert?
»Setzen Sie sich, bitte.« Der Ältere wies auf den einzigen Stuhl im Zimmerchen, das durch die Anwesenheit der beiden Männer überladen wirkte.
»Was ist los?« Sitzend fühlte Jana sich noch unterlegener. Marlene stellte sich hinter sie und legte eine Hand auf ihre Schulter.
»Sie sind die Ehefrau von Felix Winter?« Die Stimme des Beamten klang sachlich. Janas Blick fiel auf den Jüngeren, der blass wirkte und von einem Bein aufs andere trat. Hatten sie nicht zuvor schon nach ihrem Namen gefragt?
»Ja, Felix ist mein Mann.«
»Es tut mir sehr leid, Ihnen sagen zu müssen, dass Ihr Mann …« kurzes Zögern, »… verstorben ist.«

 

Die Frau auf Sylt
 gibt es bald zu hören!

Eingelesen wurde das Buch von Laura Sophie Helbig und Vincent Fallow

Hörbuch Sylt1.jpg
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